München. Die Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (M+E) sehen überwiegend pessimistisch in die Zukunft und kritisieren die zunehmend schlechteren Bedingungen am Standort Bayern und Deutschland. Das ergab die aktuelle Umfrage der bayerischen M+E-Arbeitgeberverbände bayme vbm zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Branche.

Woher aber kommt diese überaus trübe Stimmung? Antworten geben unter anderem die Daten zur aktuellen Lage in den Betrieben, die bayme-vbm-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt vorstellte. So verlief die Produktion bis April relativ schwach und ist im Mai regelrecht eingebrochen. Aktuell liegt sie um mehr als 10 Prozent niedriger als im Jahr 2018.

Immer weniger Aufträge kommen herein, die Auftragsbestände schrumpfen von Monat zu Monat, die Kapazitäten sind immer weniger ausgelastet. Entsprechend negativ sind die Erwartungen der Firmen auch für das kommende Halbjahr.

Das hat Konsequenzen. Der Beschäftigungsabbau bis Jahresende wird größer ausfallen als noch im Dezember 2023 gedacht. Fast die Hälfte der Unternehmen (42 Prozent) befindet sich in einer kritischen Ertragslage – im Vorjahr waren das nur 26,5 Prozent. Das führt dazu, dass die Unternehmen im Inland fast nur noch in Rationalisierungen und Ersatzbeschaffungen investieren. „Die Erweiterungsinvestitionen sind auf ein Allzeit-Tief gesunken“, sagt Bertram Brossardt. „Das wiegt besonders schwer.“

Ganz anders sieht es da an den ausländischen Standorten der bayerischen Unternehmen aus. „Investiert wird überall, nur nicht bei uns“, erklärt Brossardt.

Insgesamt sind die Pläne der Unternehmen für das Ausland deutlich positiver: Sie wollen ihre Produktionskapazitäten dort ausweiten, mehr Jobs schaffen und im Ausland investieren. „Das ist ein klares Indiz einer an Fahrt aufnehmenden De-Industrialisierung in Deutschland“, so Brossardt.

Geschäftslage

Fast alle Teilbranchen der M+E-Industrie beurteilen die Geschäftslage per saldo negativ. Soll heißen: Die Anzahl der Firmen, die die Lage als schlecht beurteilen, überwiegt die Anzahl der Betriebe, denen es gut geht. Nur in der IT-Branche ist die Lage derzeit noch sehr gut. Doch auch hier trübt sich die Stimmung ein: Die Erwartungen für das kommende Halbjahr sind nun ebenfalls negativ. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Bis zur Coronapandemie haben die Firmen nur sehr verhalten Pessimismus gezeigt. Das hat sich grundlegend geändert.

Investitionen

Nur noch Bestandserhalt, kaum noch Innovationen: Das ist die Lage bei den Inlandsinvestitionen. Die Investitionen in Erweiterungen sind auf ein Allzeit-Tief gesunken: Noch nie in den letzten 21 Jahren, in denen in die Konjunkturumfrage durchgeführt wurde, rutschte diese auf so einen niedrigen Wert. Insgesamt will ein gutes Drittel der Betriebe (36,2 Prozent) die Investitionen im Inland zurückfahren – nachdem diese jahrelang, mit Ausnahme des Coronapandemiejahrs, kaum reduziert wurden. Das Problem: Die Schere zugunsten der Investitionen im Ausland bleibt bestehen. Dort wollen drei von zehn Betrieben mehr investieren.

Rendite

Die Herausforderungen der Unternehmen sind immens: Sie müssen die Digitalisierung stemmen sowie die Dekarbonisierung vorantreiben, um die Klimaziele zu erreichen. Das alles kostet Geld – doch derzeit erwirtschaften die bayerischen Unternehmen zu wenig, um die nötigen Investitionen zu finanzieren. Fast 13 Prozent der Firmen gehen von Verlusten aus, doch auch mit einer Rendite von unter 2 Prozent lassen sich keine großen Sprünge machen. Eine wichtige Stellschraube, um Kosten zu senken, sind unter anderem die Arbeitskosten. Laut Umfrage sind diese derzeit eines der Hauptprobleme am Standort Bayern und Deutschland. Hier haben die Tarifpartner Einfluss – indem sie sich bei Lohndiskussionen nicht an den wenigen Teilbranchen orientieren, bei denen es noch gut läuft.

Beschäftigung

War bislang der Fachkräftemangel eine Herausforderung für die Betriebe, so fürchtet die Branche nun in fast allen Teilbereichen einen Beschäftigungsrückgang. Besonders groß sind die Abbaupläne in der Automobil- und Zulieferindustrie sowie im Maschinenbau. Leicht positiv sind die Beschäftigungspläne im sonstigen Fahrzeugbau, zu dem auch die Verteidigungsindustrie gezählt wird, sowie im IT-Sektor. Insgesamt wollen unter 10 Prozent der Firmen in der zweiten Jahreshälfte zusätzliche Arbeitsplätze im Inland schaffen. Angesichts der schlechteren Arbeitsmarktlage entspannt sich der Arbeits- und Fachkräftemangel leicht. Trotzdem bleibt er künftig eine strukturelle Herausforderung für die Industrie – auch, weil für neue Jobs Qualifikationen gefragt sind, die auf dem Markt schwer zu bekommen sind.

Standort

Hohe Kosten für Arbeit und Energie, überbordende Bürokratie: Die Bedingungen am Standort Bayern und Deutschland haben sich in den Augen der Unternehmen seit zwei Jahren massiv verschlechtert. Daraus ziehen sie Konsequenzen: Fast jeder fünfte Betrieb, der eine Verschlechterung der Lage sieht, hat in den vergangenen zwölf Monaten bereits Teile der Wertschöpfung ins Ausland verlagert. Knapp die Hälfte (41 Prozent) plant dies. Auch die Investitionen fließen vor allem an die ausländischen Standorte. Neben den Tarifpartnern, die Einfluss auf die Arbeitskosten nehmen können, ist auch die Regierung in Berlin gefragt, wieder mehr für Wachstum zu tun.

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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