Deutschland will grüner und digitaler werden. Der Umbau und die Modernisierung der Volkswirtschaft, vor allem ihrer industriellen Basis, ist ein riesiger Kraftakt. Damit er gelingt, müssen sehr viele Akteure sehr viel Geld in die Hand nehmen. Doch gerade daran hapert es derzeit, trotz einzelner positiver Schlagzeilen: Das Land insgesamt hat ein Investitionsproblem.

Auch die Unternehmen, die für mehr als die Hälfte aller Investitionen in Deutschland verantwortlich sind, halten sich merklich zurück. Laut dem Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo hat sich die Investitionstätigkeit der Firmen zuletzt deutlich eingetrübt. „Auch für das laufende Jahr deuten die Investitionspläne der Unternehmen nicht auf ein Anziehen der Investitionsdynamik“, heißt es in einer aktuellen Ifo-Studie.

Die Verlagerung von Arbeitsplätzen wird wieder zum Thema

Hintergrund: Der Standort schreckt leider viele Investoren ab. Deutsche Unternehmen etwa stellen ihm im Schnitt nur noch die Schulnote vier aus: „ausreichend“. Jede fünfte Firma vergibt ein „Mangelhaft“, fast jede zehnte gar ein „Ungenügend“ – so das ernüchternde Ergebnis einer Ifo-Befragung im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen.

Jeweils rund drei Viertel der befragten Unternehmen nennen die steuerlichen Bedingungen, Arbeitskosten, fehlende Fachkräfte und teure Energie als Hemmnisse. Am schlimmsten aber ist die Bürokratie: An der stören sich neun von zehn Firmen! aktiv hat über das leidige Thema Regulierung schon oft berichtet.

Bedenklich: Von den Firmen, die aktuell im Ausland investieren wollen, plant mittlerweile jede dritte auch die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Deutschland. Zum Vergleich: In einer früheren Ifo-Befragung, 2017, hatten dies noch 96 Prozent der Unternehmen ausgeschlossen!

Wie dramatisch sich die globale Tektonik beim Thema Investitionen in knapp zwei Jahrzehnten verschoben hat, zeigt eine neue Studie des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (vfa), die die Investitionstätigkeit in der EU, den USA und in China seit 2005 miteinander vergleicht. Die drei Wirtschaftsräume stehen zusammen für rund 60 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Und da zeigt sich: Der Anteil Deutschlands an sämtlichen Investitionen in diesen drei Wirtschaftsräumen ist von 2005 bis 2022 deutlich gesunken.

Das zeigt etwa ein Blick auf die Ausrüstungsinvestitionen (zum Beispiel in Maschinen und Anlagen) und die sonstigen Investitionen (etwa in Forschung und Software): Zusammengerechnet fiel Deutschlands Anteil hier von 9,5 auf 5,6 Prozent. Auch die übrigen EU-Länder mussten deutlich Federn lassen. Die USA verloren weniger – und erlebten vor allem zuletzt eine starke Dynamik, auch dank staatlicher Förderung zum Beispiel durch den „Inflation Reduction Act“. Der große Gewinner, wenn auch zuletzt mit Problemen: China.

Selbst die Industrie verliert an Boden

Während die USA insbesondere mit Investitionen in ihren traditionell starken Sektoren IT und Finanzen Akzente setzen, konnte Deutschland nirgendwo so richtig glänzen. „Selbst die deutsche Industrie – eine klassische Stärke des hiesigen Standorts – verliert an Boden“, heißt es in der vfa-Studie. Deren traurige Bilanz: „Alles in allem haben Deutschland und Europa erheblich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt.“

Und das ist gerade für Deutschland ein klares Warnsignal: Denn Investitionen gelten als wichtiger Gradmesser für die Qualität und Attraktivität eines Standorts. Sie beeinflussen das Produktionspotenzial – und damit letztendlich nicht weniger als den zukünftigen Wohlstand einer Volkswirtschaft.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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