Es geht um Geld – und um die Frage, wie Hessens Metall- und Elektro-Industrie wieder wettbewerbsfähiger wird. Über die bevorstehende Tarifrunde mit der IG Metall sprach aktiv mit Ralph Wangemann, Arbeitsdirektor bei Opel und Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands Hessenmetall.

Herr Wangemann, Metall und Elektro, hört man, steckt seit Jahren in der Krise fest. Ist es wirklich so schlimm?

Ja, denn der Abwärtstrend seit 2018 wurde und wird immer wieder angefeuert. Erst durch die Coronapandemie und dann durch Kriege sowie andere Herausforderungen. Wir wissen aber auch, dass wir in Deutschland strukturelle Probleme haben, die uns im Wettbewerb mit anderen Industrienationen belasten. Hierzu zählen etwa hohe Energiepreise und Arbeitskosten, die unsere Produkte vergleichsweise teuer machen. Die Nachfrage nach M+E-Produkten ist auch deshalb bereits seit längerer Zeit zu schwach, um einen wirklichen Befreiungsschlag landen zu können. Es ist höchste Zeit, unseren Standort zu stärken, sonst schreitet die De-Industrialisierung voran. 

Zudem stöhnt gerade der Mittelstand über unproduktive bürokratische Pflichten, die laufend mehr und aufwendiger werden …

Von unseren Mitgliedsunternehmen wissen wir, dass kaum ein Unternehmen die zunehmende Bürokratie einfach neben dem normalen Geschäftsbetrieb erledigen kann. Also braucht es häufig Mitarbeiter, die sich vor allem darum kümmern oder Dienstleister wie zum Beispiel Steuerberater und Investitionen in digitale Programme, die den Aufwand unterstützen. Die Kosten und der zeitliche Aufwand sind oft so erheblich, dass sich eigentlich gewünschte Investitionen entweder nicht lohnen oder im Ausland mehr Sinn ergeben. Wir sind eine Exportnation und profitieren nicht mehr vom globalen Wirtschaftswachstum. Das kann sich Deutschland nicht auf Dauer leisten.

Nun wird ab Mitte September wieder über die Tarifentgelte verhandelt. Welches Plus kann vor dem von Ihnen geschilderten Hintergrund überhaupt für die Beschäftigten drin sein?

Die Frage muss doch eher lauten: Was können wir denn überhaupt verteilen? Es gibt noch Unternehmen, die aktuell gut dastehen. Aber wir reden über den Flächentarif, also über unsere vielfältige Industrie. Kleine, mittelständische und große Unternehmen aus neun verschiedenen Branchen insgesamt. Auftragseingänge, Produktionszahlen, Umsatz, Absatz, Kapazitätsauslastung: Bei einigen gehen diese Zahlen aktuell nach unten. Aber die Arbeitskosten in der M+E-Industrie sind seit 2015 um 30 Prozent gestiegen, ohne dass sich die Produktivität verbessert hat. Grob gesagt heißt das, dass jeder Mitarbeiter immer noch die gleiche Menge Produkte produziert, aber zu deutlich gestiegenen Arbeitskosten, mit denen wir auf den Weltmärkten gegen unsere Wettbewerber antreten.

Geht es jetzt eigentlich „nur“ ums Geld oder stehen noch andere Punkte zur Diskussion, um die die Tarifpartner sich kümmern sollten?

Die größte Aufgabe der Tarifpartner in der kommenden Tarifrunde wird es sein, ihren Teil dazu beizutragen, dass unsere Industrie wieder an Wettbewerbsfähigkeit hinzugewinnt, damit wir als deutsche Unternehmen mit unseren Werten auch in Zukunft im weltweiten Wettbewerb eine führende Rolle spielen und wieder ausreichend Wachstum erzielen können. Denn nur so können wir zukünftig den Erfolg von Unternehmen und den Wohlstand der Beschäftigten erhalten. Ich hatte schon eingangs erwähnt, dass wir in Deutschland strukturelle Probleme haben, und halte es deshalb auch für sehr wichtig, dass wir gemeinsam als Tarifpartner die Gefahren und Chancen für den Industriestandort an die Politik adressieren.

Für Sie persönlich ist es ja die erste Tarifrunde als Verhandlungsführer. Was erwarten Sie, was haben Sie sich vorgenommen?

Ich habe das Amt in einer Zeit voller Herausforderungen übernommen und vertrete jetzt zahlreiche Unternehmen, die mitten im Strukturwandel sind. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass unsere Industrie zu alter Stärke zurückfindet, indem sie den Wandel für die internationale Wettbewerbsfähigkeit aktiv vorantreibt und damit ein Eckpfeiler der Beschäftigung wie des Wohlstands in Hessen und Deutschland bleibt.

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

Alle Beiträge der Autorin