Anfang Juni haben sich die Mitglieder des Hauptverbands Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) in Frankfurt zur Jahrestagung getroffen. aktiv sprach am Rande der Veranstaltung mit dem wiedergewählten Präsidenten Jürgen Peschel über die Lage der Branche und die Aussichten auf die nächste Tarifrunde.

Herr Peschel, wie sieht es aktuell in der Branche aus, wie geht es den Betrieben?

Leider nicht sonderlich gut. Wir leben in schwierigen Zeiten, die vielen Krisen verunsichern die Menschen. Und damit gibt es einen Rückgang im Konsum, der ganz automatisch auch einen Rückgang bei den Verpackungen bedeutet. Und wir haben insgesamt eine schwächelnde Konjunktur. Wir können also nicht erwarten, dass die Produktion bald wieder schlagartig nach oben geht. Das gilt leider für die gesamte Industrie – die Vorhersagen der Institute lassen für dieses und nächstes Jahr nichts Gutes erwarten.

Die Inflation war zeitweise ungewöhnlich hoch, was vor allem an den stark gestiegenen Energiepreisen lag. Wie sehr hat das dieBeschäftigten getroffen?

Man darf da nicht vergessen, dass teure Energie gerade auch die Unternehmen direkt und stark belastet hat. Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft: Ich glaube, dass wir die Inflation alles in allem anständig aufgefangen haben. Es gab einen zeitweisen Peak nach oben, den wir über die 2023 vereinbarten Gehaltserhöhungen und die Inflationspauschalen ausgeglichen haben - zuletzt im Februar 2024. Aktuell geht die Inflation zum Glück wieder auf ein normales Niveau runter, die Vorhersagen für das gesamte Jahr 2024 liegen um die 2,5 Prozent.

Das wäre weniger als die schon vereinbarten Lohnsteigerungen.

Genau. Anfang August und dann Anfang Dezember steigen unsere Tariflöhne um insgesamt 3,5 Prozent. Am Ende des Jahres sollte da also ein Reallohnplus stehen.

Anfang 2025 sind dann ja wieder Tarifverhandlungen. Nun war hier in Frankfurt zu hören, dass die direkte Tarifbindung der Firmen in ihrer Branche gesunken ist?

Ja, das ist leider so. Zum einen ist die Branche sehr heterogen: Es gibt bei uns große und kleine Unternehmen, stark automatisierte und solche mit viel Handarbeit. Diese Bandbreite in einen Tarifvertrag zu gießen, ist immer wieder eine Herausforderung, weil der Anteil der Arbeitskosten eben unterschiedlich hoch ist. Zum anderen haben aber die überzogenen Warnstreiks der Vergangenheit direkt zur abnehmenden Tarifbindung der Unternehmen beigetragen: Wir wissen von einigen Firmen, dass sie wegen dieser Warnstreiks noch in der Verhandlungsphase, also schon vor dem Tarifabschluss, ausgestiegen sind. Wir leben in einer Welt, in der just in time bedient wird, das gilt auch für Verpackungsmaterial: Kein Kunde hat dafür Verständnis, dass man wegen eines unnötig langen Warnsteiks nicht genug liefern kann.

Wird es bei den Tarifverhandlungen nur ums Geld gehen oder gibt es noch andere wichtige Punkte?

Das Jobfahrrad ist ein großes Thema, vor allem bei jüngeren Leuten, und es ist eine tolle Möglichkeit, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Extra zur Verfügung zu stellen. Bisher hat die Gewerkschaft Verdi die Entgeltumwandlung für ein Jobrad allerdings abgelehnt. Dazu muss man wissen, dass ein tarifgebundenes Unternehmen das Jobrad ohne entsprechenden Tarifvertrag nicht so einfach den Beschäftigten anbieten kann. Deshalb freuen wir uns, dass die Gewerkschaft nun bei diesem Thema Entgegenkommen signalisiert hat. Denn viele unserer Beschäftigten möchten gerne ein Jobrad.

Tanja Wessendorf
aktiv-Redakteurin

Tanja Wessendorf berichtet für aktiv aus der Industrie und schreibt über Verbraucherthemen. Sie studierte in Berlin Politikwissenschaft und volontierte in Hamburg bei der Tageszeitung „Harburger Anzeigen und Nachrichten“. Seit 2008 arbeitet sie als Redakteurin, viele Jahre in der Ratgeber-Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, aber auch beim TV-Sender Phoenix. Privat liebt sie alles, was schnell ist: Kickboxen, Eishockey und laufen mit ihrem Hund. 

Alle Beiträge der Autorin