Jörg Gustke mahnt zur Vorsicht: „Achtung, da drin sind es 800 Grad!“ Der Ausbildungsleiter der KSM Castings GmbH hat sich dicke, silberfarbene Schutzkleidung anzogen – er weiß schon, warum. In dem Behälter, dessen Deckel er gerade vorsichtig öffnet, glüht flüssiges Aluminium. Mehr als 310 Stände gibt es auf der IdeenExpo auf dem Messeglände in Hannover. Der, an dem Gustke steht, gehört wohl zu den heißesten.

Der 63-Jährige weiß, wie man Interesse bei Schülerinnen und Schülern weckt. „Ich bin schon das sechste Mal dabei“, sagt er. Und auch dieses Mal ist seine Begeisterung riesig. KSM gehört zum Gemeinschaftsstand des Verbands Unternehmer Hildesheim, auf dem insgesamt acht Aussteller den jungen Besuchern zeigen, wie faszinierend Technik sein kann. „Gemeinsam sind wir stärker“, sagt Matthias Mehler, Vorsitzender von Unternehmer Hildesheim und Chef-Organisator der Aktion. „So können auch kleine Firmen bei diesem Mega-Event dabei sein und auf sich aufmerksam machen.“

Das war neu in diesem Jahr. Eine Region präsentierte sich gemeinsam mit mehreren Ausstellern. Die Idee dahinter: Wenn ein Unternehmen nicht genug Standpersonal bieten kann, um während der gesamten neun Tage vor Ort zu sein, wenn die Ideen und das professionelle Marketing fehlen oder auch die Kosten für einen Betrieb zu hoch sind – dann passt dieses Gemeinschaftskonzept.

Im „Hildesheimer Ideenwald“ wächst ein metallener Baum

Der Impuls kam von Albert Steffen, Projektkoordinator der IdeenExpo: „Kleine wie auch größere Unternehmen bestätigten uns, dass auch sie dringend Kontakt zu jungen Leuten suchen.“ Allerdings hätten längst nicht alle die Manpower oder die firmeninterne Infrastruktur dazu. „Deshalb haben wir uns den regionalen Gemeinschaftsstand einfallen lassen“, sagt Steffen.

„Hildesheimer Ideenwald“ ist der Titel des Gemeinschaftsstands. Selbst gießen dürfen Besucher zwar nicht, dafür aber den Guss mit Sand und Formen vorbereiten. Besonders beliebtes Motiv: zwei Blätter aus Aluminium. Eins davon darf man mit nach Hause nehmen, das andere landet an den Zweigen eines metallenen Baums, der das Zentrum des „Ideenwaldes“ bildet. Der Baum ist ein Gemeinschaftswerk der Firmen KSM Castings, Helo Sports und Waggonbau Graaff. Er soll nach der IdeenExpo an verschiedenen Orten in Hildesheim öffentlich gezeigt werden.

Groß ist der Andrang auch bei der Firma Kühn Sicherheitstechnik. Das Hildesheimer Unternehmen bittet zum Tresorknacken. Wer will, bekommt erklärt, wie ein dreirädriges Schloss funktioniert und welche Position der drei Scheiben erreicht werden muss, damit die Tür aufgeht und der „Tresorknacker“ einen Gewinn mitnehmen kann. Allerdings haben angehende Meisterdiebe nur eine Minute Zeit.

Ebenfalls im Ideenwald zu Hause ist die Realschule Himmelsthür. Schülerinnen und Schüler aus dem Technikprofil der neunten Klasse präsentieren eine Solarbank, die sie gemeinsam mit der Firma Helo Sports konzipiert haben. Auf dem Gerät können bis zu vier Nutzer gleichzeitig nicht nur entspannen, sondern dabei auch ihre Handys aufladen. Es gibt schon Pläne, mit dem Produkt über eine Schülerfirma in Serie zu gehen.

IdeenExpo: Das Event ist auch ein großer Branchen-Treff

Gleich nebenan hat der Alfelder Automobil-Zulieferer Innotape viel Zulauf – mit einem ferngesteuerten Auto, das möglichst schnell eine Runde fahren soll. Viele Schulklassen liefern sich dabei regelrechte Wettbewerbe. „Es ist schon unglaublich was los“, freut sich Personalchefin Anuschka Weiser, die auch den Ideenwald mit konzipiert hat.

Aus Sicht des Stand-Chefs Mehler kommt noch ein überraschender Mehrwert hinzu. „Die Firmen haben sich in der Vorbereitung und während der gesamten Messe gut kennengelernt und wollen auch in Zukunft eng zusammenarbeiten“, sagt Mehler. Damit ist auch sein Kalkül aufgegangen: Denn Netzwerkarbeit ist dem umtriebigen Verbandschef eine Herzensangelegenheit.

Nur ein paar Meter weiter wartet ein Highlight der IdeenExpo: der Stand der Metall- und Elektro-Industrie, mit dem der Verband Gesamtmetall in Hannover vertreten ist. Mutige können sich dort festschnallen und gefühlt in alle Richtungen gleichzeitig herumwirbeln lassen – und so erahnen, welche Kräfte auf Astronauten im All wirken. Mancher kann davon kaum genug bekommen, andere bitten nach zehn Sekunden, wieder aussteigen zu dürfen. Aber immer warten Interessierte geduldig in einer langen Schlange, an der hin und wieder ein Roboterhund vorbeimarschiert.

Über 1.000 Quadratmeter bespielen die Metaller. Und die sind vollgestopft mit jeder Menge Gänsehautgefühl: Zum Beispiel wirbeln hier Artisten in luftiger Höhe an einem Roboterarm. „Es wirkt, als wenn Mensch und Maschine verschmelzen“, sagt Koordinatorin Hannah Merkel von NiedersachsenMetall. Sie berichtet von leuchtenden Kinderaugen, die der anmutigen Show folgen. Bis zu 15 Mal am Tag haben die Artisten sie gezeigt. Ursprünglich wurde der Roboter übrigens in der Automobil-Industrie eingesetzt – und so umgebaut, dass er sich über seine sechs Drehpunktachsen frei im Raum bewegen kann.

Es gibt viel zu sehen – aber auch Handfestes zum Ausprobieren

Am Stand von NiedersachsenMetall geht es spielerisch weiter: Hier wartet ein riesiger Flipper. Er blinkt, dudelt und trällert, wie es sich für einen ordentlichen Spielautomaten gehört. Das Gerät unterscheidet sich aber deutlich von seinen Artgenossen: Der Berliner Künstler Niklas Roy hat den Riesenflipper komplett selbst gebaut. Und dabei ganz offensichtlich zahlreiche Alltagsgegenstände verwendet. Beim Flippern beginnt etwa eine Spielzeugpuppe unter einer Plexiglaskuppel zu tanzen, Party-Lichterketten und Baustellenleuchten blinken. An anderen Stellen sind Haartrockner oder umgebaute Ventilatoren platziert.

Aber es gibt nicht nur Show, sondern auch Handfestes zum Ausprobieren. Ganze 800 Exponate laden auf der IdeenExpo zum Mitmachen ein. Im Talentcamp von NiedersachsenMetall zum Beispiel kann man sich von der CNC-gesteuerten Fräsmaschine ein eigenes Werkstück kreieren lassen. Und sich dank Augmented Reality auch ganz gefahrlos als Schweißer ausprobieren. Natürlich ist auch der M+E-Info Truck von Gesamtmetall dabei – vollgestopft mit modernster Technik.

IdeenExpo der Rekorde

  • Die neunte IdeenExpo war ein Festival der Superlative: Mehr als 430.000 Menschen haben die Veranstaltung binnen neun Tagen Anfang Juni besucht– so viele wie bei keiner Ausgabe zuvor!
  • Neben der Besucherzahl gibt es auch bei den Ausstellern einen neuen Rekord: Insgesamt 310 Aussteller führten den Besuchern die Vielfalt technischer und naturwissenschaftlicher Berufe vor. Es gab viele neue Stände wie etwa den der BMW Group oder den von startup.niedersachsen. Damit sind mehr Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Schulen und Organisationen als je zuvor der Einladung nach Hannover gefolgt.
  • Auch die Zahl der Mitmach-Angebote konnte sich sehen lassen: Auf den 110.000 Quadratmetern der vier Messehallen konnten sich Jugendliche an insgesamt 800 interaktiven Stationen und in 850 Workshops ausprobieren.
Werner Fricke
Autor

Werner Fricke kennt die niedersächsische Metall- und Elektro-Industrie aus dem Effeff. Denn nach seiner Tätigkeit als Journalist in Hannover wechselte er als Leiter der Geschäftsstelle zum Arbeitgeberverband NiedersachsenMetall. So schreibt er für aktiv über norddeutsche Betriebe und deren Mitarbeiter. Als Fan von Hannover 96 erlebt er in seiner Freizeit Höhen und Tiefen.

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