Seit 13 Jahren arbeitet Sergej Loch beim Schlosshersteller Bever & Klophaus in Schwelm. Kümmert sich im Wareneingang um das Material, richtet Maschinen ein. Angefangen hat er mit einfachen Aufgaben. Die wurden immer anspruchsvoller. Was blieb, war der Status „ungelernter Helfer“. „Ich wollte gucken, was ich noch lernen kann, wollte mehr wissen“, sagt der 48-Jährige und machte sich 2019 auf den Weg. Ein Jahr lang drückte er an fünf Tagen im Monat die Schulbank. „Das Lernen war anfangs schon schwierig. Das Praktische ist mir leichter gefallen“, erinnert er sich. Gepackt hat er beides. Eine schöne Prämie gab es am Ende und jetzt mehr Lohn für den Maschinen- und Anlagenführer.

Loch war, zusammen mit einem Kollegen, der erste Mitarbeiter, für den Bever & Klophaus das Qualifizierungschancengesetz genutzt hat. Damit kann die Bundesagentur für Arbeit bis zu 100 Prozent der Kosten für die Weiterbildung von Beschäftigten ohne Berufsabschluss übernehmen.

In der Schwelmer Schlossfabrik gibt es da einige. Das Unternehmen, 1809 gegründet, wuchs 2015 nach der Übernahme zweier Firmen und dem Einstieg in die Produktion von Fenstersicherungen rasant. Der Umzug in ein größeres Firmengebäude stand an, sehr schnell wurden neue Mitarbeiter gebraucht. 

Ihre Zahl stieg auf 70, fast eine Verdoppelung. Wie viele in der Belegschaft tatsächlich keine Ausbildung haben, wurde erst richtig klar, als man im Zuge einer Restrukturierung genau hinschaute. Da steckt mehr drin, waren sich Sanela Kavazovic, gerade selbst zur Personalfachkauffrau weiterqualifiziert, und die Geschäftsführung einig.

Die ersten Weiterbildungen waren so erfolgreich, dass aktuell zwei weitere laufen, diesmal im Logistikbereich. Der Bildungsträger bietet sie als Vorbereitungskurs für die Externenprüfung an, heißt: Die Mitarbeiterinnen fehlen nur tageweise während des Blockunterrichts im Betrieb.

Ohne Ausbildung fehlt Mitarbeitern oft die Anerkennung

Derya Aka macht im November ihre Prüfung zur Fachlageristin. Als Aushilfe hat sie 1998 angefangen, seit 2004 arbeitet sie im Versand. „Wenn man keine Ausbildung hat, ist man unsichtbar. Die Anerkennung fehlt“, hat sie festgestellt. Dennoch zögerte sie, bevor sie das Qualifizierungsangebot annahm: „Ich habe gedacht, ich schaffe es nicht, weil mein Deutsch nicht so gut war.“ Die Firma organisierte einen Vorbereitungskurs. Und sie selbst merkte, dass auch andere Teilnehmer Probleme mit den Fachbegriffen hatten. „Man muss dranbleiben, nachfragen“, sagt die 44-Jährige: „Viele trauen sich nicht, aber es weitet den Blick. Man sieht einfach mehr.“

Zusammenarbeit aller Beteiligten ist wichtig

Der Einstieg ins Lernen ist auch ihrer Kollegin Dilek Afacan nicht leicht gefallen. Sie ist im Juni in die Qualifizierung gestartet und merkt schon jetzt, dass das fachliche Wissen hilft. „Ohne Ausbildung macht man seine Arbeit. Wenn man weiß, was und warum man etwas tut, ist es besser“, sagt die 46-Jährige.

Personalentwicklung vorantreiben und Mitarbeiter fördern – darauf richtet Personalreferentin Kavazovic ihr Augenmerk. „Das braucht eine gute Zusammenarbeit mit Arbeitsagentur und Bildungsträger und die Unterstützung der Geschäftsführung“, sagt sie. Für Holger Hoffmann und Omid Shakeri, die 2020 die Leitung übernommen haben, ist das keine Frage. Für sie ist die Qualifizierung ein Baustein im Restrukturierungsprozess, den das Unternehmen nach einigen schwierigen Jahren durchläuft.

„Viel ist im Personalbereich passiert“, blickt Shakeri auf die eingeleiteten Verbesserungen zurück. Regelmäßiger Austausch zwischen den Abteilungen, klare Zuständigkeiten und Qualifizierungen gehören ebenso dazu wie ein Wissensmanagement, das das Know-how im Betrieb weitergibt. Das braucht es, um die besondere Stellung von Bever & Klophaus zu halten.

Qualifizierung ist Teil der Restrukturierung

Das Unternehmen setzt, anders als viele Mitbewerber, auf hochwertige Schlösser „made in Germany“. Rund 3.500 Produkte sind ständig auf Lager. Sie gehen an Baumärkte, den Fachhandel und Handwerker. Spezialität und Alleinstellungsmerkmale sind der Sonderbau sowie die Fertigung und Restaurierung antiker Schlösser.

Noch überwiegend per Hand werden die Schließanlagen aus vielen Einzelteilen montiert. Im Zuge der Restrukturierung wurde jeder Prozess auf Verbesserungspotenziale hin überprüft. Alle Artikel wurden erstmals genau erfasst, präzise Kalkulationen aufgesetzt, Werkzeuge und Produkte weiterentwickelt. Neues Logo und Internetauftritt machen das traditionsreiche Unternehmen jetzt auch nach außen hin sichtbarer.

Die Maßnahmen zahlen sich trotz der aktuell ungünstigen Rahmenbedingungen aus – auch in der Belegschaft. „Viele wussten nicht, wie die Abläufe sind, was an anderer Stelle passiert. Das wird jetzt immer klarer“, sagt Shakeri. „Die Arbeit ist effizienter geworden, die Fehlerquote gesunken.“

Mit den Qualifizierungsmaßnahmen soll das weiter unterstützt werden. „Wir schauen, wer infrage kommt und wer möchte“, sagt Kavazovic. Anfangs musste sie überzeugen, mittlerweile melden sich Mitarbeiter. Die nächsten drei Kandidaten stehen bereits in den Startlöchern. Vom Selbstbewusstsein, das mit jeder Qualifizierung wächst, profitiert das Unternehmen gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Die angehende Fachlageristin Derya Aka ist mittlerweile Teamleiterin und gibt ihr Wissen an andere weiter.

Die Personalreferentin ist mit viel Herzblut bei der Arbeit

Krumme Lebensläufe sind Sanela Kavazovic viele begegnet. Fluchtgeschichten und Berufswechsel, Probleme mit der Sprache, Behörden oder im Privaten - oft hat sie sich da schon für die Mitarbeiter gekümmert. „Ich weiß, wie sich das anfühlt“, sagt sie.

Die 51-Jährige, in Bosnien geboren, ist in Deutschland und Bosnien aufgewachsen und 1991 vor dem Krieg dort geflüchtet. Ihre Ausbildung wurde hier nicht anerkannt. Einen guten Job verlor sie wegen Geschäftsschließung. Nach einer Umschulung zur Bürokauffrau stieg sie bei Bever & Klophaus als „Mädchen für alles“ ein und entdeckte für sich das Personalwesen. Die alleinerziehende Mutter qualifizierte sich weiter und übernahm Führungsaufgaben. Am Ende war es zu viel: Sie fiel ein halbes Jahr aus. Jetzt aber widmet sie sich wieder intensiv dem, was ihr am Herzen liegt.

„Ich finde Menschen toll“, sagt Kavazovic. Sie schaue, was in ihnen steckt, wo sie mal stehen könnten. „Ich habe immer die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt kennengelernt“, blickt sie selbst auf glückliche Wendungen zurück. Das liegt aber wohl auch an ihrer zugewandten, herzlichen Art. Bauchtanz, Naturheilkunde, Sterbebegleitung - sie ist für vieles offen: „Es gibt nicht nur schwarz-weiß. Buntes Denken ist wichtig, in jeder Hinsicht.“

Begegnung mit …

… Sanela Kavazovic 

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Über Umwege bin ich in die Personalarbeit gekommen und habe den Beruf als Berufung entdeckt. Ursprünglich habe ich Lebensmitteltechnikerin gelernt.

Was reizt Sie am meisten?

Ich liebe es, die Menschen zu beobachten und zu sehen, wie sie sich weiterentwickeln.

Worauf kommt es an?

Den Menschen zu sehen. Jeder ist besonders, hat eine Geschichte und Talente. Man muss nur die Augen aufmachen. Und Gönnen können.

Wertvolles Know-how sichern

  • Wissensmanagement wird durch Qualifizierung befördert. Ihre Erfahrungen damit hat Sanela Kavazovic in einer Workshop-Reihe der agentur mark und des Märkischen Arbeitgeberverbands weitergegeben.
  • Die Workshop-Reihe im Rahmen des Projekts „ATLAS – Automotive Transformationsplattform Südwestfalen“, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, beschäftigt sich mit Wissensmanagement im Betrieb.
  • Am 5. Dezember findet ein Nachtreffen in Iserlohn statt, auch für Nicht-Teilnehmer offen. Für 2025 ist eine Neuauflage des Tool-Workshops geplant.
  • Interessierte können sich melden unter: dalkmann@agenturmark.de
Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, in Hagen und im Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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