Nicht immer läuft das Leben auf geraden Wegen ab – insbesondere in dem Alter, in dem sich junge Leute für eine Ausbildung entscheiden sollen, haben sie manchmal anderes im Kopf. So kommt es, dass in Deutschland mehr als zwei Millionen Menschen zwischen 20 und 34 keinen qualifizierten Berufsabschluss vorweisen können. Das zeigen Zahlen aus dem Berufsbildungsbericht 2023, der regelmäßig vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) erstellt wird. Dabei ist gerade ein Berufsabschluss die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Berufsleben – und zugleich der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit.

Die gute Nachricht ist: Es gibt einige Optionen, die Ausbildung auch später noch –berufsbegleitend, in Voll- oder Teilzeit – zu absolvieren und so einen Abschluss zu erlangen. Schließlich kann man auch auf Umwegen zum Ziel kommen. Eine Möglichkeit ist die Teilqualifizierung. Wie sie funktioniert, erklärt Susanne Eikemeier von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg

Teilqualifizierung: Die Ausbildung in Modulen durchlaufen

Die Teilqualifizierung kommt für un- oder angelernte Arbeitskräfte infrage, egal ob sie arbeitsuchend oder beschäftigt sind. Voraussetzung: Sie müssen mindestens 25 Jahre alt sein. „Dabei wird der Lerninhalt eines Ausbildungsberufs in fünf bis acht Module aufgesplittet, die nacheinander absolviert werden können“, erklärt Eikemeier. Jede Einheit dauert dabei zwei bis sechs Monate, in denen sowohl praktische als auch theoretische Kenntnisse erworben werden. 

Insgesamt bilden die Module 100 Prozent des Ausbildungsinhaltes des angestrebten Berufsabschlusses ab. Rechnet man die Zeiten zusammen, wird die gesamte Ausbildung jedoch in zwei Dritteln der üblichen Zeit absolviert. Jeweils am Modulende werden die Kenntnisse durch eine Prüfung nachgewiesen und mit einem Zertifikat ausgezeichnet, das auch für sich genommen schon am Arbeitsmarkt nützlich sein kann.

Der Vorteil: Bereits mit dem Abschluss eines jeden Moduls kann der Beschäftigte in diesen Teilbereichen höher qualifizierte Aufgaben übernehmen als zuvor und kommt schrittweise seinem Ziel näher. Das Tempo gibt dabei der Teilnehmende vor. Je nach Lebenssituation kann er zwischen den einzelnen Abschnitten pausieren, wenn das erforderlich ist: zum Beispiel wegen eines Babys oder der Pflege von Angehörigen. Ebenso besteht kein Zwang, alle Einheiten zu absolvieren. „Das kann den Druck von Menschen mit schlechter Bildungserfahrung nehmen, die sich scheuen, eine reguläre Ausbildung anzufangen“, so die Expertin.

Auswahl unter fast 40 Berufen ist möglich

Die Teilqualifizierung ist für Beschäftigte wie auch Arbeitsuchende bei Bewilligung kostenfrei. Durch sie entstehende Fahrt-, Unterbringungs- oder Kinderbetreuungskosten können ebenfalls je nach den individuellen Gegebenheiten übernommen werden.

Wer sich dafür interessiert, kann derzeit aus mehr als 35 Berufen auswählen: zum Beispiel zum Industriemechaniker oder zum Mechatroniker, zur Kauffrau beziehungsweise zum Kaufmann für Büromanagement oder zum Fachinformatiker. Weitere Abschlüsse sind in Vorbereitung. Ansprechpartner ist für Beschäftigte das Unternehmen, für Arbeitsuchende ist die örtliche Arbeitsagentur oder das Jobcenter erste Anlaufstelle. Weitere Informationen zu diesem Angebot bietet das Portal der Arbeitsagentur unter dem Stichwort Nachqualifzierung.

Externe Prüfung: Für Praktiker ohne Ausbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung

Wer alle Module einer Teilqualifizierung durchlaufen hat, kann mit einer sogenannten Externenprüfung bei der Industrie- und Handelskammer oder der Handwerkskammer den offiziellen Berufsabschluss erlangen. Dann nimmt er oder sie an den Abschlussprüfungen gemeinsam mit den Auszubildenden teil, die die Lehrzeit auf herkömmlichem Weg durchlaufen haben.

Eine solche Prüfung können aber auch diejenigen ablegen, die keine Art von Ausbildung im ausgeübten Berufsfeld hinter sich haben, jedoch über ausreichende Praxis verfügen. „Die muss mindestens das Anderthalbfache der Ausbildungszeit im angestrebten Beruf betragen“, erklärt Eikemeier: Wer eine Prüfung in einem Beruf mit dreijähriger Ausbildungszeit ablegen will, muss also mindestens 4,5 Jahre entsprechende Erfahrung nachweisen können.

Die Prüfung wird bei der örtlich zuständigen Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer beantragt. Abgefragt wird dabei der vollständige Stoff, der normalerweise in der Ausbildung gelehrt wird. Den Stoff kann sich der Prüfling zwar grundsätzlich im Selbststudium beibringen; Unterricht ist hierfür nicht verpflichtend. Es gibt jedoch auch Kurse, die eigens der Vorbereitung auf die Prüfung dienen und die die Erfolgsaussichten erhöhen. Welche Kurse angeboten werden, findet sich auf den Internetseiten der örtlichen Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern.

Die Kosten für die Vorbereitungskurse und für die Prüfung an sich können finanziell gefördert werden, sagt Eikemeier: „Hier gibt es zahlreiche Varianten, zum Beispiel über den Bildungsgutschein oder eine Einzelförderung.“ Die Arbeitsagentur berät auch hierzu.

Qualifizierungsgeld: Für Arbeitnehmer im Strukturwandel

Noch recht neu ist das Qualifizierungsgeld der Bundesagentur für Arbeit. Dies können Unternehmen nutzen, die vom Strukturwandel in besonderer Weise betroffen sind, um ihre Mitarbeiter für neue Aufgaben auszubilden. Die Weiterbildung soll grundsätzlich eine zukunftssichere Beschäftigung im selben Unternehmen ermöglichen, so Eikemeier. Dementsprechend umfangreich ist die Maßnahme mit 120 Stunden Unterrichtszeit: Sie soll über eine bloße Fortbildung hinausgehen. Diese 120 Stunden müssen allerdings nicht zwingend hintereinander absolviert werden und können je nach den persönlichen Erfordernissen wie die Teilqualifizierung berufsbegleitend, in Voll- oder in Teilzeit erbracht werden.

Waltraud Pochert
Autorin

Waltraud Pochert hat bei aktiv vor allem Verbraucherthemen aus dem Bereich der privaten Finanzen sowie Recht und Steuern im Blick. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Köln startete sie ihre berufliche Laufbahn bei einem großen Wirtschaftsmagazin, bevor sie als freie Journalistin tätig wurde. In ihrer Freizeit ist sie gern sportlich unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad.

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