Sie heißen Schmelzschichtung, Stereolithografie oder selektives Laser-Sintern: Verfahren, mit denen man Dinge 3-D-drucken kann. Die Technologie war einmal ein Hype, um den es wieder etwas stiller wurde. Wie ist der Stand heute? Das haben wir Oliver Refle gefragt. Der Diplom-Ingenieur leitet die Abteilung Additive Fertigung am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart.

Herr Refle, was heute die künstliche Intelligenz ist, war vor rund zehn Jahren der 3-D-Druck: eine Technologie, der viele zutrauten, die Industrie zu revolutionieren. Was ist aus dem Versprechen geworden?

Der Hype um den 3-D-Druck ist entstanden, als die Basis-Patente ausliefen und die ersten preisgünstigen Drucker auf den Markt kamen. Damit schlug eine Technologie im Heimbereich auf, die vorher nur einem kleinen Personenkreis im Modellbau zugänglich war. Medien berichteten, Entscheidungsträger wurden auf das Thema aufmerksam und Ingenieure in der Industrie fingen an, sich damit zu beschäftigen. Doch nach der anfänglichen Euphorie kam die Desillusionierung. 

Warum?

Weil die Technologie damals vieles nicht halten konnte, was von ihr erwartet wurde. Erst heute haben die Druckverfahren und die Materialien eine solche Reife erreicht, dass man damit wirklich industriell Produkte fertigen kann.

Und wie geht es der Branche heute? Laut Europäischem Patentamt gibt es gerade in keinem Bereich mehr neue Patentanmeldungen als im 3-D-Druck.

Naja, die Zahl der Technologie-Anbieter ist wegen der inzwischen schon ausgelaufenen Patente heute viel größer. Und viele neue Patente beschreiben eher kosmetische Änderungen an hergebrachten Verfahren. Die Goldgräberstimmung ist jedenfalls inzwischen verflogen. Viele Anbieter gehen insolvent, andere fusionieren mit Wettbewerbern.

Das ist erstaunlich. Die additive Fertigung – wie 3-D-Druck ja auch genannt wird – setzen doch immer mehr Unternehmen ein? 

Das stimmt. Aber fast niemand, der additive Fertigungsanlagen und Technologie verkauft, verdient derzeit damit Geld. Die Branche ist in den roten Zahlen. Ein Grund ist das Geschäftsmodell: Nur mit dem Verkauf von 3-D-Druck-Maschinen macht man kaum Gewinn. Die Idee ist, neben den Maschinen auch die Materialien – also die „Tinte“ – mitzuverkaufen, wie bei Druckern fürs Büro. Aber welches fertigende Unternehmen will sich denn verpflichten, das Material immer nur bei der Firma zu kaufen, die auch die Anlage geliefert hat? Ein anderes Problem ist: Sowohl bei kleinen als auch bei großen Maschinen gibt es große Konkurrenz aus China.

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Noch ist die additive Fertigung wohl eher eine Nischentechnologie. Großserien, etwa im Automobilbau, werden so schnell nicht aus dem Drucker kommen. Oder sehen Sie das anders?

Da muss man unterscheiden zwischen dem Druck von Metallen und dem von Kunststoffen. Metallischer Druck in Großserien ist die absolute Ausnahme – auch wenn ich höre, dass einige Automobilbauer das bereits machen. Bei kleinen, sehr komplexen Teilen, für die es in normalen Fertigungsverfahren viele Schritte braucht, kann auch der teure, metallische 3-D-Druck Sinn machen. Anders sehe ich die Lage beim Kunststoff: Mit einem Spritzgussverfahren zu konkurrieren, ist für den 3-D-Druck zwar sehr schwer. Aber bei Kunststoffen ist die Entwicklung in Richtung Großserie durchaus wahrscheinlicher. Aktuell gibt es zum Beispiel eine neue Maschine eines US-Herstellers, die eine extrem hohe Produktionsgeschwindigkeit ermöglicht – und bereits bei einem bekannten Spielzeughersteller im Einsatz ist.

Warum ist der Durchbruch zur Großserie beim Kunststoff-Druck wahrscheinlicher?

Weil die Herstellkosten damit deutlich günstiger sind und man somit höhere Stückzahlen erreichen kann. Im Metallbereich wird 3-D-Druck eine Anwendung für die kleineren Stückzahlen bleiben, weil man das Material im gesamten Herstellprozess mehrfach aufschmelzen muss: Deshalb stecken in einem 3-D-Druckteil bis zu 80 Prozent Energiekosten! Die dafür benötigte Energie ist beim Kunststoff deutlich weniger. Und auch die Arbeitsschritte und die benötigte Infrastruktur sind weniger komplex als bei Metall und somit wirtschaftlicher zu betreiben.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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