Auriol piepst und trillert wie der R2-D2 von „Star Wars“. Julian Franz, der Hardware-Entwickler und Drohnenpilot lässt die Rotoren probelaufen, dann beginnt der Rundflug auf dem Testfeld von Third Element Aviation (3EA) in Bielefeld.

Diese Lieferdrohne ist die größte, die das Bielefelder Start-up bisher produziert hat. Sie transportiert bis zu 6,5 Kilogramm Last, kann bis zu 45 Minuten in der Luft bleiben. Ihr Zweck: Waren, Medikamente, Blutproben, Werkzeug oder Medizintechnik auf der „letzten Meile“ zuverlässig zustellen.

Spezielle Genehmigung für kommerziellen Einsatz

Die Sensoren des Greifers am „Bauch“ von Auriol erkennen das Paket, die Gummifinger schließen sich fest drumherum. Es ist die erste Lieferdrohne, die in Deutschland mit einer speziellen Genehmigung im kommerziellen Betrieb fliegt: Sie darf selbstständig auf der programmierten Route über Straßen, Gewerbe- und Wohngebiete hinwegfliegen. Ein Pilot verfolgt den Flug am Bildschirm und kann so mehrere Drohnen gleichzeitig überwachen. Weder Amazon noch andere Wettbewerber haben bisher eine solche – sehr begehrte – Zulassung.

Seit Februar ist Auriol bei Koerschulte in Lüdenscheid im Einsatz. Die Firma beliefert die umliegenden Industrie- und Handwerksbetriebe mit Spezialwerkzeug und Ersatzteilen auf dem Luftweg. Der nächste Abnehmer, Hotset, der industrielle Heizungsanlagen baut, liegt 900 Meter entfernt– reichlich, denn seit Sprengung der Talbrücke Rahmede versinkt die Industrieregion im Verkehrschaos. Kein Wunder, dass das Interesse an Lieferdrohnen groß ist.

Koerschulte will bis Jahresende seine Flotte ausbauen, für 80 Flüge täglich. Die Behörden-Genehmigung für die ersten Starts zu bekommen dauerte Jahre, nun aber wird es schneller gehen: Der Prozess ist standardisiert, Expertise vorhanden. Marius Schröder, Mitgründer von 3EA, hofft auf viele neue Aufträge. Aktuell hat das 2017 gegründete Unternehmen 30 Mitarbeiter bei rund 2,2 Millionen Euro Jahresumsatz.

Die Produktion schnell auszuweiten war kein Problem dank guter Partnerschaften mit etablierten Unternehmen der Region wie Wago oder Antrax. „Viele Prozesse können wir an unsere Zulieferer auslagern: Ostwestfalen ist ein Mekka des Maschinenbaus“, sagt Schröder. „Hier arbeiten wir mit Firmen zusammen, die Leichtbau, Zerspanung, Robotik und Elektronik beherrschen.“ Über 80 Prozent der Komponenten werden in einem Umkreis von wenigen Kilometern produziert. 3EA fügt alles zusammen und schult auch die Drohnenpiloten der Firmenkunden.

Drohnen überwachen Hafenkräne und Windräder

Gegenwärtig testet 3EA mit Forschungspartnern die Drohnen-Landung auf einem Boot, das in der Halle des Start-ups steht. Ein weiteres Projekt ist der Abwurf der Kiste in einen Trichter, wo sie direkt in den Paketkasten darunter fällt. So ist die Zustellung weitgehend automatisiert. Die Drohne kann aber auch mit einem Landroboter – einem sogenannten Rover – zusammenspielen.

Marius Schröder: „Wir stellen keine Drohnen von der Stange her wie die großen Produzenten aus China. Wir setzen uns mit dem Kunden zusammen, gehen auf seine Bedürfnisse ein.“ So werden mit anderen 3EA-Drohnen etwa Kräne im Hamburger Hafen inspiziert, Lotsen in Dänemark unterstützt und Fledermäuse in der Nähe von Windrädern beobachtet.

Matilda Jordanova-Duda
Autorin

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.

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