Die Wirtschaft in Deutschland steckt fest. Das gilt gerade auch für die Metall- und Elektro-Industrie (M+E): Der größte Industriezweig hierzulande leidet unter der Wachstumsflaute und den Schwächen des Standorts Deutschland. Aktuell liegt die Produktion 15 Prozentpunkte unter dem Vorkrisenstand von 2018. Auch Absatz, Umsatz, Neubestellungen, Auslastung – alles zeigt abwärts.

Aufschwung nicht in Sicht

Kein Wunder, dass das Geschäftsklima bei Metall und Elektro im Juli 2024 regelrecht eingebrochen ist – fast auf den tiefsten Stand seit der Coronakrise. Dies meldet das Ifo-Institut, das monatlich die Betriebe im Land befragt. „Neben der aktuellen Lage haben sich auch die Geschäftserwartungen verschlechtert“, erläutern die Konjunkturforscher, „und eine Trendwende ist nicht abzusehen.“ 

Fest steht: Hierzulande läuft etwas mächtig schief. Das unterstreicht der Blick ins Ausland. Alle Industrieländer weltweit sind wieder auf Wachstumskurs. Nur in Deutschland ersticken die Wachstumshoffnungen immer wieder im Keim.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Energiewende, Digitalisierung, Bürokratie, die hohen Steuern und Arbeitskosten: Alles zusammen überfordert die Betriebe hierzulande zusehends. Das sagen fast alle Experten – darunter der Internationale Währungsfonds IWF und die OECD. Das Schlagwort von der De-Industrialisierung macht längst die Runde.

Jetzt sind Politik und Tarifpartner gefordert

Dass die fast 6.000 M+E-Betriebe in Nordrhein-Westfalen mit ihren rund 693.000 Beschäftigten Herausforderungen bewältigen können, haben sie immer wieder bewiesen. Doch im weltweiten Wettbewerb ächzt M+E nun mal unter Wachstumsbremsen, die andere lösen müssen – insbesondere die Politik.

Die Arbeitskosten immerhin können die Tarifpartner mit beeinflussen. Die nächste Nagelprobe dafür ist jetzt, in der M+E-Tarifrunde 2024. Mehr zum Thema: standort-staerken.de

Aufträge

Wann geht es endlich wieder aufwärts für Metall und Elektro? Schwer zu sagen. Das verdeutlicht die Entwicklung bei den Neubestellungen: Im ersten Halbjahr 2024 konnten die M+E-Unternehmen in Nordrhein-Westfalen spürbar weniger Aufträge einfahren als im Vorjahreszeitraum (–8,2 Prozent insgesamt). Anhaltend schwach ist die Nachfrage sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland – wobei die heimischen Kunden noch wesentlich zurückhaltender sind. Auch das ist ein unübersehbarer Hinweis auf die besonders schwierige Situation für Indus-triebetriebe in Deutschland.

Arbeitskosten

Viel höher als in den allermeisten anderen großen Industriestaaten sind die Arbeitskosten der deutschen M+E-Industrie. Deutsche Unternehmen zahlen etwa 2,6-mal mehr als die Konkurrenz in Tschechien. Und US-Firmen kommen auf rund 11 Prozent weniger.

Zu beachten ist, dass die erwähnten 51,15 Euro nicht der durchschnittliche Stundenlohn sind. In die Berechnung fließen auch etwa die Bezahlung arbeitsfreier Zeiten wie Urlaub und Krankheit mit ein, ebenso die Sozialbeiträge des Betriebs oder die betriebliche Altersvorsorge. Gut wäre es, wenn Deutschland so viel besser wäre, wie es teurer ist. Doch bei der Produktivität haben andere Länder längst aufgeholt.

Investitionen

Im Jahr 2023 haben Unternehmen der Metall- und Elektro-Industrie rund 19 Milliarden Euro im Ausland investiert – und nur 6,1 Milliarden Euro im Inland. Fünf Jahre zuvor, 2018, zeigte sich noch ein komplett umgekehrtes Bild: Da hatten M+E-Unternehmen mit 42,6 Milliarden Euro noch deutlich mehr in Deutschland investiert als im Ausland (7,7 Milliarden Euro).  

Die Zahlen unterstreichen: Der heimische Standort verliert an Attraktivität, wenn es etwa um den Aus- und Aufbau von Fertigungsanlagen geht. Warum? Bürokratie, Bildung, Energiesicherheit und -kosten, verfügbare Arbeitskräfte, Steuern, Planungs- und Genehmigungsverfahren, Arbeitskosten, die Schere zwischen Brutto und Netto: Die Liste der Mängel, die unseren Heimatstandort ins Hintertreffen brachten, ist lang. Und sie entstand nicht von heute auf morgen. Dauerhaft unwirtschaftlich zu sein, gefährdet die Existenz. Damit sich Investitionen rechnen, müssen die Rahmenbedingungen hierzulande stimmen.

Produktion

Seit inzwischen 13 Monaten in Folge schrumpft die M+E-Produktion in Nordrhein-Westfalen. Im ersten Halbjahr 2024 lag sie um –8,8 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Das ist sogar noch schlechter als im bundesweiten M+E-Durchschnitt (–7,3 Prozent). Die Entwicklung ist, abgesehen von der kurzlebigen Erholung nach Corona, Ausdruck der tiefgreifenden Krise von M+E. Diese setzte bereits 2018 ein. Verglichen mit damals beträgt der Rückstand nun schon 21 Prozentpunkte. Näheres Hinsehen zeigt zudem: Alle großen M+E-Branchen stehen zumeist dick im Minus.

Inflation

Die Tariflöhne bei M+E in Nordrhein-Westfalen stiegen über die Jahre hinweg viel stärker als die Teuerung – trotz der Nullrunde von 2019 bis 2021. Unterm Strich ist ein Kaufkraftplus von 35 Prozent seit dem Jahr 2000 zusammengekommen. Ebenfalls erfreulich: Zuletzt hat sich die Inflation wieder der Marke von 2 Prozent angenähert. Diese strebt auch die Europäische Zentralbank (EZB) an. Allerdings warnt inzwischen etwa die Bundesbank vor überhöhten Lohnabschlüssen – weil diese zu Rückschlägen im Kampf gegen den Preisauftrieb führen könnten.

Es bleibt dabei: Das beste Mittel, um die Kauflaune zu erhöhen, sind sichere Jobs. Und dafür brauchen wir vor allem einen international wettbewerbsfähigen Standort.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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