Altenstadt. Geduldig ziehen Jakob Smialik und Vahatra Ratsihihoarana Drähte in die Spule ein. Hunderte der glänzenden Kupferteile verarbeiten sie Tag für Tag in der Wickelei von Vincorion Advanced Systems im oberbayerischen Altenstadt. So entsteht ein erster Baustein für das Stromaggregat, das Systeme für die Luftverteidigung mit Energie versorgt – wie etwa aktuell in der Ukraine.

Vincorion stellt bereits seit den 1980er-Jahren Stromversorgungsgeneratoren vor allem für Patriot-Flugabwehrsysteme her. Im Verteidigungsfall dient dieses System der Luftüberwachung, spürt mit Radar feindliche Flugzeuge, Raketen oder Marschflugkörper auf und schießt sie ab. Da es überall und jederzeit auch im freien Feld einsatzbereit sein muss, kommt der sicheren Stromversorgung eine wichtige Rolle zu.

Junge Bewerber wollen in die Rüstungsindustrie, weil der Job wichtig ist

Seit einiger Zeit fertigt das Unternehmen auch die Energieversorgungsaggregate für ein weiteres, neueres Flugabwehrsystem: Iris-T vom bayerischen Hersteller Diehl gilt als eines der derzeit modernsten Systeme. Die Ukraine setzt es ein, um sich vor den russischen Angriffen zu schützen.

In Altenstadt ist man stolz, einen Beitrag zur Verteidigung zu leisten. Geschäftsführer Kajetan von Mentzingen sieht in der Tat eine Zeitenwende. Jahrelang seien die Unternehmen der Verteidigungsindustrie kritisch beäugt worden, doch das habe sich nun geändert: „Die Sicht auf unsere Branche ist positiver“, sagt er. So erlebt er, dass auf Jobmessen oder in Bewerbungsgesprächen Interessenten gerade in diese Branche möchten: „Sie geben an, zu kommen, weil sie es wichtig finden, diesen Job zu machen.“

Auch Jakob Smialik ist zufrieden, dass er sich für eine Ausbildung bei Vincorion entschieden hat. Er ist bereits im zweiten Lehrjahr zum Elektroniker für Maschinen- und Antriebstechnik und ist durch die Empfehlung eines Schulkameraden auf das Unternehmen gestoßen. „Der Job ist zukunftssicher“, sagt er. Mit Blick auf die neue Sicherheitslage in Europa ist der 18-Jährige überzeugt: „Die Branche wird sich weiterentwickeln.“

Ähnlich sieht es sein Kollege Vahatra Ratsihihoarana. Er hat seinen Abschluss als Elektroniker seit Kurzem in der Tasche, arbeitet fest in der Wickelei. „Wir bauen Maschinen für die Zukunft“, sagt er. Der 28-Jährige ist in Madagaskar aufgewachsen und erst vor wenigen Jahren nach Deutschland gekommen. Nach einer Phase der Berufsorientierung entschied er sich nach einem Praktikum für die Ausbildung bei Vincorion.

Für eine Azubi-Stelle zählt ein Praktikum mehr als das Bewerbungsgespräch

Praktikum und dann der Ausbildungsvertrag: Das sei der klassische Weg ins Unternehmen, sagt Stefan Martin, der stellvertretende Ausbildungsleiter. „Wir setzen eher darauf, die jungen Menschen bei der praktischen Arbeit kennenzulernen. Bewerbungsgespräche haben weniger Bedeutung für uns.“

In vier Berufszweigen bildet der Betrieb aus – und er wächst. Derzeit arbeiten am Standort rund 200 Mitarbeiter. „Das sind doppelt so viele wie noch vor sieben, acht Jahren“, sagt Geschäftsführer von Mentzingen.

Und es könnten noch mehr werden. Denn derzeit entwickelt der Standort im Auftrag der Bundeswehr neue taktische Stromversorgungsgeräte. Diese versorgen militärische Stützpunkte oder Feldlazarette mit Energie.

Übrigens: Hier spielt auch das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle. Die Systeme lassen sich an erneuerbare Energieträger anschließen und speichern auch Strom.

„Falls der Auftrag kommt, ist das ein spannendes Geschäft“, so von Mentzingen. „Wir müssen uns positionieren und im Wettbewerb antreten. Auf diese Herausforderung freuen wir uns an unserem Standort in Bayern schon.“

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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