Man könnte Oliver Bardel nachts wecken und fragen, welche Maße das Hochregallager im Hörmann-Werk in Freisen hat. Er würde ohne zu zögern antworten: „52 Meter lang, 28 Meter hoch, 26 Meter breit.“ Beim aktiv-Betriebsbesuch schießt der Werkleiter auch andere Zahlen ab wie Kugeln aus einer Pistole. Der jährliche Stromverbrauch im Werk? „5,6 Millionen Kilowattstunden grüner Strom.“ Die Zahl der Beschäftigten, die am Standort Türen und Zargen produzieren? „620.“ Damit ist Freisen eines der größten europäischen Werke von Hörmann.

Hörmann und seine Produkte: Am Anfang war das Schwingtor

Wer Brandschutztüren sucht, kommt an Hörmann nicht vorbei. Das Familienunternehmen mit Sitz im ostwestfälischen Steinhagen ist europäischer Marktführer im Bereich Bauelemente. Am Standort im saarländischen Freisen wurden ab 1962 zunächst Garagentore gebaut, vor allem der Kassenschlager des Unternehmens: „Berry“, ein Schwingtor. „Die Legende besagt, dass Hermann Hörmann das Patent dafür nach dem Krieg einem US-Amerikaner abgekauft hat“, erzählt Bardel. „Damals hat ihm jeder gesagt: Niemand in Deutschland kauft ein Garagentor, das übers Auto geschoben wird – könnte ja runterfallen.“ Es kam dann anders: Mehr als sieben Millionen Berry-Schwingtore hat Hörmann bis heute verkauft. Und die Firma entwickelte sich Schritt für Schritt zur Unternehmensgruppe mit Standorten in der ganzen Welt.

„Heute haben alle Werke eine besondere Spezialisierung“, erklärt Bardel. Manche produzieren Garagentore für Privatkunden, andere liefern Lösungen für die Industrie. Das Werk in Freisen konzentrierte sich früh auf das Thema Feuerschutz: Heute fertigen die über 600 Mitarbeiter hier fast ausschließlich Brandschutztüren.

Eine Karriere bei Hörmann: Vom Ferienarbeiter zum Werkleiter

Die schwersten dieser selbstschließenden Stahlkolosse wiegen 280 Kilo! Und hinter der Produktion solcher Türen steckt eine komplexe Wissenschaft, die Bardel von der Pike auf gelernt hat. „Ich war 1985 zum ersten Mal als Ferienarbeiter hier“, erzählt der 58-Jährige. „Nach der Bundeswehr wollte ich eigentlich Werkzeugmacher lernen.“

„Eine Brandschutztür ist aufgebaut wie ein Schuhkarton“

Oliver Bardel, Werkleiter Hörmann Freisen

Hörmann bildete damals allerdings keine Werkzeugmacher am Standort aus, deshalb ließ Bardel sich in der Kreislehrwerkstatt ausbilden. Als er nach dem Abschluss einen Bekannten im Werk besuchte, lud ihn der damalige Werkleiter spontan zum Vorstellungsgespräch ein. Am nächsten Tag hatte Bardel einen Job bei Hörmann. Seither ist der Saarländer in wechselnden Funktionen für das Unternehmen tätig. Berufsbegleitend studierte er Maschinenbautechnik, wechselte später auf eine Stelle im Verkauf. Als sich der Standort Freisen ab Ende der 1990er auf das Objektgeschäft mit Brandschutztüren konzentrierte, also auf die Ausstattung großer Immobilien wie etwa der Allianz-Arena oder der Elbphilharmonie, wurde Bardel der erste Objektberater in Freisen. Ein BWL-Studium und zehn Jahre als Verkaufsleiter später übernahm er schließlich 2020 die Werkleitung.

    Die meisten Brandschutztüren sind Spezialanfertigungen

    Auch der Standort selbst hat sich beständig weiterentwickelt. „1996 hatten 80 Prozent unserer Türen Standard-Maße“, sagt Bardel. „Heute machen wir mehr als 80 Prozent Kundenanfertigungen. Der durchschnittliche Kundenauftrag umfasst daher nur ein bis zwei Türen.“

    Wie die variantenreiche Produktion in industriellem Maßstab funktioniert, das kann aktiv sich in den Werkhallen anschauen. Hier flirren Stahlbleche über riesige Fertigungslinien, Roboter bauen Teile ein oder stellen im Sekundentakt Kisten mit dem richtigen Zubehör aufs Band.

    Das Türblatt selbst entsteht in einer anderen Linie. „Eine Brandschutztür ist aufgebaut wie ein Schuhkarton“, sagt Bardel. „Es gibt einen Kasten mit einem Deckel aus Blech, und dazwischen steckt eine Mineralwollmatte.“ Diese Einlage sorgt dafür, dass sich die Temperatur auf der Außenseite nicht zu stark erhöht.

    Was Feuerschutztüren im Ernstfall überstehen können, wird in Freisen minutiös überprüft. Dafür betreibt Hörmann auf dem Firmengelände ein eigenes Prüflabor. Hier werden neu designte Türen auf Dauerfunktion getestet: sechs Wochen lang permanentes Öffnen und selbsttätiges Schließen. Es wird gemessen, wie viel Rauch im Fall eines Feuers entweicht. Und wie heiß eine Tür wird, wenn man sie eine halbe Stunde lang bei fast 1.000 Grad erhitzt: Die Außenfläche darf sich dabei im Mittel nicht stärker als auf 140 Grad erhitzen, sonst würden die Fluchtwege zu heiß. Um die Funktionen von Zargen und Türen möglichst realitätsnah testen zu können, beschäftigt Hörmann sogar ein halbes Dutzend Maurer, die immer neue Testmauern hochziehen.

    Am Ende des Rundgangs führt Bardel Besucher noch in die Produktausstellung. Hier steht der ganze Stolz des Werks: die Millionen-Tür. Sie wurde einem Test von sage und schreibe einer Million Öffnungen und Schließungen unterzogen und danach auf 1.000 Grad erhitzt. In der Vitrine kann man sehen: Sie hat es überlebt.

    Das Unternehmen

    • Hörmann ist Europas führender Anbieter für Tore, Türen, Zargen und Antriebe.
    • Mit mehr als 6.000 Beschäftigten in über 40 Werken weltweit erwirtschaftet Hörmann mehr als 1 Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Hauptsitz des Familienunternehmens ist das ostwestfälische Steinhagen.
    • Das Werk im saarländischen Freisen gibt es seit 1962. Hier werden vor allem Brandschutztüren gefertigt.
    Michael Aust
    aktiv-Redakteur

    Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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