Beruf oder Familie? Für viele Mütter und Väter in den baden-württembergischen M+E-Betrieben stellt sich diese Frage zum Glück nicht. Da heißt es ganz klar: Beruf und Familie! Die Unternehmen legen sich nämlich mächtig ins Zeug, um Eltern und Kinder zu unterstützen – durch firmeneigene Kitas, Ferienbetreuung, familienfreundliche Arbeitszeiten und vieles mehr. Das hilft, damit auch Mütter nicht auf Job und Karriere verzichten müssen – und die Betriebe nicht auf wertvolle Fachkräfte. „Dafür braucht es gute Rahmenbedingungen und eine moderne Unternehmenskultur“, sagt Stefan Küpper vom Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft, das Unternehmen unter anderem in Fragen der Personalpolitik berät. aktiv hat sich in der Branche umgeschaut und stellt drei Firmenbeispiele vor.

Unterstützung in jeder Lebenslage bei ifm in Tettnang

Der Spezialist für Automatisierungs- und Digitalisierungstechnik ifm lässt Mitarbeiter in Not nicht allein. Am Standort Tettnang hat das Unternehmen vor 15 Jahren einen Solidaritätsverein gegründet. Der steht beratend zur Seite, zum Beispiel bei Suchtproblemen oder wenn Angehörige pflegebedürftig werden. Familien in akuten Notlagen greift er auch mal mit zinslosen Darlehen unter die Arme oder vermittelt eine Schuldenberatung.

Damit die Anonymität in besonders heiklen Fällen gewahrt bleibt, hat ifm die Beratung an den Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Bodensee-Oberschwaben ausgelagert. „Oft erfahren wir den Namen der Mitarbeitenden gar nicht“, berichtet Personalleiter Bernhard Bentele.

Arbeitszeiten werden individuell gestaltet

Die AWO übernimmt auch die Bedürftigkeitsprüfung, wenn jemand den Betrieb um eine Geldspende bittet – wie zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter, die aus finanziellen Gründen einmal keine Weihnachtsgeschenke für ihr Kind kaufen konnte. In Ferienzeiten organisiert der Verein außerdem eine Kinderbetreuung. Dann werden 30 Kinder pro Woche aus allen ifm-Standorten am Bodensee aufgenommen, Vorrang erhält der Nachwuchs von Alleinerziehenden.

Und auch im Unternehmen selbst wird Familienfreundlichkeit großgeschrieben. „Wir haben unzählige verschiedene Arbeitszeitmodelle“, sagt Personalreferentin Michelle Jelen. Die Führungskräfte suchen mit den Beschäftigten in ihren jeweiligen Bereichen oder Abteilungen nach ganz individuellen Lösungen – etwa durch den Umstieg auf Teilzeit oder Homeoffice-Modelle. Natürlich ist nicht jeder Wunsch erfüllbar, wie Bentele einräumt: „Wir müssen gleichzeitig schauen, dass die Produktion läuft. Aber in vielen Bereichen liegt die Teilzeitquote bei über 50 Prozent.“

Karriere trotz Babypause bei ZF in Friedrichshafen

Familie muss keine Karrierebremse sein – beim Automobilzulieferer ZF kann sie sogar ein Plus bedeuten für den Aufstieg. „Wenn es um Beförderungen geht, schauen wir uns die Kandidaten ganzheitlich an“, erzählt Jochen Mayer von der Unternehmenskommunikation. „Natürlich stehen dabei die beruflichen Qualifikationen im Vordergrund. Aber auch Aspekte des Privatlebens zählen.“ Zum Beispiel ein langjähriges Ehrenamt bei der örtlichen Feuerwehr - oder eben die Erziehungszeit. „Die ist schließlich auch eine Form des persönlichen Engagements, das vor allem soziale Kompetenzen stärkt“, erklärt Mayer. „Soziale Karrierebausteine“ nennt ZF diese außerberuflichen Parameter.

Bei Netzwerktreffen sind die Kinder dabei

Damit der Kontakt zum Betrieb und zu den Kollegen während der Babypause nicht abreißt und die Rückkehr an den Arbeitsplatz leichter fällt, hat ZF ein besonderes Konzept entwickelt. Mütter oder Väter können sich über ein Online-Tool auf dem Laufenden halten. Zweimal im Jahr finden zudem Netzwerktreffen mit den Personalleitern vor Ort statt. „Das ist immer sehr nett, wie eine Art Familientreffen. Die Kinder sind auch dabei. Sie werden betreut und dürfen mit Bobbycars herumfahren“, berichtet Personalmanagerin Christine Knüppel. Nebenbei können die Eltern mit den Personalleitern schon mal ihre Rückkehr in den Betrieb planen.

Seit etwa zwei Jahren bietet ZF auch spezielle Förderprogramme für Frauen. Rund zwölf Monate lang werden Mitarbeiterinnen von einer Mentorin begleitet und können sich vernetzen – zum Beispiel über internationale Online-Communities für den Austausch mit Kolleginnen in der ganzen Welt. Zu den Angeboten von ZF gehören außerdem eine Kita, Ferienprogramme und ein externer Dienstleister der Leih-Omas, Babysitter oder Notfallbetreuungen vermittelt.

Kinderferienprogramm bei den VOLLMER Werken in Biberach

Wenn Kinderaugen strahlen, schüchterne Jungs oder Mädchen aufblühen und enge Freundschaften entstehen, dann weiß Tanja Kneißle: Es hat sich gelohnt. Die Personalreferentin ist dieses Jahr verantwortlich für VoBi Kids, dem Kinderferienprogramm beim Biberacher Maschinenbauer VOLLMER. „Von der Organisation bis zur Betreuung – wir machen alles selbst, weshalb es ein großes Herzensprojekt von uns ist“, so Kneißle.

Manche Kinder sieht man später auf Jobmessen wieder

Immer in der ersten Augustwoche hat VOLLMER von Montag bis Freitag 20 Mitarbeiterkinder von sechs bis zwölf Jahren in der Obhut – vom Frühstück an. Den Auftakt bildet eine Rallye mit Schatzsuche auf dem Betriebsgelände. Dabei werden verschiedene Aufgaben gelöst, wie etwa die Zuordnung von Werkzeugen in der Montage. Ein besonderes Highlight ist der Besuch bei Mama oder Papa am Arbeitsplatz. Der Rest der Woche ist jedes Jahr ein bisschen anders. Neben Basteleien in der Lehrwerkstatt gibt es auch außerhalb des Betriebs viel zu erleben: etwa eine Olympiade auf dem Sportplatz, Besuche bei der Polizei, der Feuerwehr oder auf einem Bauernhof. In einem Jahr fand auch eine kleine Alpakawanderung statt. Eine Tradition ist der Einkauf auf dem Biberacher Wochenmarkt. Danach wird geschnippelt und gemeinsam Obstsalat gemacht. Zwischendurch wird viel Tischkicker gespielt und getanzt, nämlich der VoBi-Kids-Tanz.

Die Nachfrage ist so groß, dass die Plätze ausgelost werden müssen. Planung und Durchführung übernehmen immer zwei Personalreferentinnen gemeinsam mit Azubis und dualen Studenten, die dafür freigestellt werden. Das Programm wirkt nach, wie Tanja Kneißle weiß: „Wenn wir auf einer Bildungsmesse sind, kommen oft Schüler an den Stand und sagen: ‚Hey, bei euch war ich mal beim Ferienprogramm!‘“

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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